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Kigali – Auf Erkundungstour durch Ruandas Hauptstadt, pulsierende Künstlerszene und bewegende Vergangenheit

Bevor es für uns weiter nach Südafrika geht, entscheiden wir uns für eine Nacht in Kigali zu bleiben und Ruandas Hauptstadt zu erkunden. Bei unserer Recherche entdecken wir vor allem viele Kunstateliers, die in der Stadt verteilt sind und unsere Aufmerksamkeit wecken. Schon bei der Anreise nach Kigali erahnen wir, dass nicht nur das Land aus unzählig vielen Hügeln besteht, sondern die Stadt selbst auf mindestens gefühlte weiteren 1000 Hügel gebaut ist. Es geht auf und ab, quer durch die Stadt, bis wir unsere Unterkunft erreichen.

Wir nächtigen bei einem Kloster im St. Etienne Guest House auf einem der unzähligen Hügel und haben eine strategisch zentrale Ausgangslage – anfangs haben wir noch optimistisch angenommen, wir könnten die „wenigen“ Kilometer zu den verschiedenen Besichtigungsorten zu Fuß zurück legen, bis wir durch die Hügellandschaft eines besseren belehrt wurden und doch die Motos oder unseren privat engagierten Fahrer Shiraz für uns vorgezogen haben, der uns in Kigali immer wieder treue Dienste leistete.

Am ersten Nachmittag erkunden wir die Kunstszene Kigalis und machen einen ersten Stop in der Inema Art Galerie. Ein junges aufstrebendes Künstlerduo, das sich aus dem Erlös der Werke unter anderem für die Straßenkinder Kigalis engagiert, stellt in ihrer Galerie farbenfrohe moderne und extravagante Kunst aus. Auch die in Workshops mit den Kindern angefertigten Gemälde kommen in einem Schauraum zur Geltung und zeigen unterschiedliches Potential auf. An die Kunstgalerie ist ein Café angegliedert, welches einen schönen Blick auf Kigali bietet.

Im Anschluss geht es zu Fuß – es ist zum Glück nur eine recht flache Wegstrecke – weiter zum nächsten künstlerischen Höhepunkt Kigalis. Das Niyo Art Center begrüßt uns schon aus der Ferne mit einem leuchtenden Farbspiel aus Graffiti auf der Straße und dem Gehsteig sowie einer stylisch bemalten Mauer in Neonfarben. Es ist unübersehbar und zieht uns mit seinen vielseitigen Kunstwerken in seinen Bann. Viele verschiedene Künstler der Stadt haben hier ihren Ausstellungs- und Arbeitsraum, welcher uns mehr überrascht als anfangs erwartet.

Von tierischen Gemälden, modernen Kunstinterpretationen bis hin zu verschiedenen Farb- und Gestaltungstechniken wird uns ein bunter Mix in der Kunstgalerie geboten. Jeder Künstler hat hier seine ganz eigene Sicht und eigenen Stil der Darstellungsweise. Wir haben Glück einen jungen Künstler vor Ort kennen lernen zu können und ihm über die Schulter schauen zu können. Er lässt uns an seinem Gemälde teilhaben und teilt uns seine Ideen und Vorstellungen mit und erklärt uns jeden Schritt, wie er seine Werke angeht. Das ist für uns beide ein ganz interessantes Aufeinandertreffen und sehr bereichernd. Gerade die Gespräche mit den Leuten vor Ort sind es immer wieder, die uns neue Sichtweisen auf die Dinge geben, Wünsche und Hoffnungen verraten und die Außensicht auf Deutschland und das Leben als Europäer offenbaren. Wir sind immer wieder beeindruckt von den vielen talentierten Künstlern, die wir treffen und diskutieren häufig etwas zu kaufen. Leider ist häufig das „Verschiffen“ nach Deutschland sehr teuer und da mitnehmen aufgrund der limitierten Gepäcklage nicht geht, müssen wir die Galerien häufig vertrösten. Aufgrund der tollen Gespräche findet häufig ein Austausch der Kontaktdaten, meist über Instagram statt, sodass Kontakt gehalten werden kann.

Beeindruckt von den vielen Farben, Bildern und Interpretationen lassen wir den Abend im „Heavens“ Restaurant mit Blick auf das Lichtermeer Kigalis ausklingen und genießen einen kulinarischen Mix aus afrikanischer und internationaler Küche.

Nach einem vielfältigen Kunstnachmittag widmen wir uns am nächsten Tag Ruandas historischer Vergangenheit und starten unsere Tour am Kigali Genocid Memorial Center. Wir haben viel im Voraus über den Völkermord 1994 und die Auswirkungen gehört und gelesen, richtig vorstellen konnten wir uns die traurige Vergangenheit aber erst nach dem Besuch dieser eindrücklich und interessant gestalteten Erinnerungsstätte in Kigalis Zentrum.

Dieser Ort ist für den Besucher sehr lehrreich, mitfühlend und zugleich erschütternd gestaltet. Die vielen Erinnerungsstücke, Videos von Zeitzeugen, Bilder der Gräueltaten und spannend aufbereiteten Informationen über die Hintergründe des Geschehens zeugen von einem großen Drang der Dokumentation und Aufklärung der Menschen auf lange Sicht. Es ist ein Besuch, der Spuren hinterlässt und immer wieder zu Kopfschütteln über das Handeln und den Umgang unter den Menschen aufkommen lässt. Zugleich ist das Genocid Memorial ein Rückzugsort für diejenigen, die während des Genozid Freunde und Familienmitglieder verloren haben. Mit verschiedenen Akzenten versprüht diese Anlage eine ganz besondere Atmosphäre zum Wachrütteln, Erinnern und zur Ruhe kommen und sollte bei einem Besuch in Kigali selbst nicht ausgelassen werden.

Mit all den gesammelten Eindrücken machen wir uns auf den Weg zur nächsten historischen Stätte – dem Kandt Haus, das letzte bauliche Zeugnis der deutschen Kolonialzeit in Kigali. Das Museum gibt dem Besucher einen Überblick über die Geschichte des Landes zur Zeit der deutschen Kolonialverwaltung und ist der ursprüngliche Sitz des „ersten deutschen Einwohners“ und Begründers der ruandischen Hauptstadt, Richard Kandt. 

Nach den vielen geschichtsträchtigen Besichtigungen brauchen wir erst einmal eine Pause, die wir im Indabo Café verbringen und lecker frisch gebackenes Bananenbrot und Kaffee genießen. Es zieht mal wieder ein Regenschauer auf, den wir unter den Bäumen und einem schützenden Dach im Café aussitzen.

Nachdem wir im Anschluss unser Gepäck von unserer Unterkunft abgeholt haben, bringt uns unser Fahrer Shiraz noch an den Flughafen in Kigali. Dieser gleicht von den Vorsichtsmaßnahmen eher einem Hochsicherheitstrakt als einem touristenfreundlichen Willkommenheißen. Schon vor dem eigentlichen Zugang zur Abflughalle müssen wir eine Art Grenzstation durchlaufen, was für uns, unser Taxi und das Gepäck eine einzige Durchleuchtung bedeutet. Wir werden gescannt, das Gepäck von Hunden durchschnüffelt und unser Auto mit Metalldetektoren auf Waffen oder ähnliches geprüft. Noch zum Teil im typisch deutschen Modus kommen wir natürlich pünktlich gut 5 h vor dem Abflug am Flughafen an und erfahren dann, dass wir erst drei Stunden vorher in das Gebäude selbst eintreten dürfen. Ein weiterer Grund für die frühe Ankunft am Flughafen ist, dass es schlicht nachts nicht sicher für Weiße auf Kigalis Straßen ist. Die Wartezeit haben wir genutzt, um WhatsApp Anrufe zu Freunden zu starten, bevor wir um 1.45 Uhr nachts nach Südafrika mit einem Zwischenstopp in Addis Abeba fliegen.

Wie können wir Kigali nach unserem kurzen Aufenthalt beschreiben? Ähnlich wie in Uganda unterscheidet sich die Hauptstadt Kigali stark zu der eher ländlichen Region Rubavu, in der wir vorher drei Wochen gelebt haben. Das Treiben ist geschäftiger, der Verkehr intensiver und die Infrastruktur an Restaurants, Hotels und Kulturangeboten größer. Die Gebäude wirken moderner und der Lebensstandard in der Stadt gehobener als auf dem Land. Stromausfälle erleben wir in der Hauptstadt keine und auch das Betteln der Kinder begegnet uns vor Ort nicht. Die Menschen, denen wir begegnen, sind extrem hilfsbereit und uns gegenüber offen – sei es unser Fahrer, die Rezeptionistin oder verschiedene Künstler, mit denen wir ins Gespräch gekommen sind. Das Land entwickelt sich aus unserer Sicht in Richtung Moderne – gerade vor dem Hintergrund seiner einschneidenden Vergangenheit – wenngleich das politische System mit vorgehaltener Hand immer wieder als Entwicklungsdiktatur bezeichnet wird. Der Präsident „wisse eben, was gut für sein Land ist“ – so das Resümee eines Einheimischen. Über die Politik wird im Land nur selten gesprochen – und wenn dann nur im lobenden Kontext, da alles andere ziemlich schnell negative Konsequenzen haben könnte.

Dennoch – das Land entwickelt sich und hat uns in den drei Wochen Aufenthalt einen neuen Blickwinkel auf den afrikanischen Kontinent einnehmen lassen. Ein Gespräch mit einer deutschen Tropenmedizinerin in Kigali, dass sich Ruanda so schnell entwickelt und aus ihrer Sicht im Begriff ist zeitnah gar Südafrika zu überholen, hat uns aufhorchen lassen und uns gleichzeitig extrem neugierig auf unsere kommenden Aufenthalt gemacht. Sie hat auch das bestätigt, was wir die ganze Zeit im Rubavu District so unterschwellig mitbekommen haben: der aufstrebende Wohlstand und die Entwicklung Ruandas geht teils zu Lasten des Nachbarlandes Demokratische Republik Kongo, welche ausgebeutet wird. Die Beziehungen sind zwischen beiden Nationen auch nicht die besten. Von Demonstrationen und Ausschreitungen im Kongo bzw. in der an Ruanda angrenzenden Millionenmetropole Goma haben wir durch Erzählungen mitbekommen. Jedoch haben uns selbst Einheimische von der Gefahr in Goma und der Unsicherheit selbst für Einheimische berichtet. Hier kann nur der Wunsch geäußert werden, dass Fortschritt nie zu Lasten von Anderen erfolgen darf, alle mit gleichen Rechten behandelt werden und eher versucht werden sollte zusammen zu arbeiten, um gemeinsam sich weiterzuentwickeln.

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