In Ruanda haben Julia und ich in zwei unterschiedlichen Projekten und Unternehmen mitgewirkt. Während Julia am Rubavu Technical College (RTC), die Lehrer unterstützte (siehe hierzu separaten Beitrag in unserem Blog), hatte ich die Chance, die German Expert Garage (GEG), eine KFZ-Werkstatt, näher kennen zu lernen. Die KFZ-Werkstatt ist ein Gemeinschaftsprojekt zwischen deutschen und ruandischen Eigentümern und wurde mitten in der Corona Zeit im April 2021 gegründet, wo weltweit, ebenso in Ruanda, noch Ausnahmezustand und Lockdowns den Alltag bestimmten. Neben dem klassischen kommerziellen Gedanken der Werkstatt dient sie auch noch als Ausbildungsstätte und Praktikumsplatz für Schüler und Schülerinnen des RTC. Dieser Hintergrund bedarf einer kurzen Erläuterung. In Deutschland ist das zweigliedrige Ausbildungssystem bekannt, integriert und geschätzt, viele Länder auf dem Planeten beneiden uns darum. Leider existiert diese Zweiteilung in Ruanda nicht, sodass normalerweise die Schülerinnen und Schüler nur theoretischen Schulunterricht erleben. Dieses Prinzip will die GEG und die RTC durchbrechen und den Auszubildenden praktische Inhalte näher bringen. Neben der GEG gibt es noch ein Hotel „Martins Expert Home“, welches einen ähnlichen Ansatz wie die KFZ-Werkstatt verfolgt. Ich finde den Ansatz klasse und hatte mich schon vorab als wir in Deutschland die Rahmenbedingungen besprochen haben sehr auf diese Organisation und das Programm gefreut. Basierend auf dem Vorgespräch in Deutschland sowie auf dem Austausch mit dem geschäftsführenden Gesellschafter Buntu vor Ort bestanden meine Aufgaben darin, die Prozesse zu optimieren, ein Marketingkonzept zu erarbeiten, wie Ertragssteigerungen erzielt werden können, Restrukturierungen zu überlegen sowie generell das Geschäftsmodell zu hinterfragen. Angemerkt werden soll noch, dass ich in diesem Beitrag lediglich generisch beschreiben werde, wie meine Tätigkeit dort aussah, da es sich um ein wirtschaftliches Unternehmen handelt und ich keine Details über das Unternehmen preisgeben kann und möchte.
Wer die obigen Aufgaben und Themen liest und sich etwas mit strategischem Management beschäftigt hat, weiß, dass das insgesamt große Themenfelder sind und nicht in den 3 Wochen, in denen Julia und ich in Ruanda verweilen, abzuschließen sind. Ich musste natürlich zu allererst die Arbeitsweise, das Geschäftsmodell und die Besonderheiten kennen lernen. Dazu kommt noch, dass der Autobesitz und die Rahmenbedingungen, wann man zu einer KFZ-Werkstatt geht andere als in Europa sind. Allein, dass man sowohl tagsüber als auch nachts Sicherheitspersonal benötigt, kennen wir so nicht. Darüber hinaus bietet die GEG auch einen Parkplatz zum sicheren abstellen für Fahrzeuge über Nacht gegen Geld an, da man nicht wie bei uns die Autos einfach auf der Straße stehen lassen kann. Eine weitere Herausforderung, um als neue KFZ-Werkstatt Fuß zu fassen, sind die Menschen, die Reparaturen direkt auf der Straße oder im Hinterhof anbieten. Nicht professionell, aber der Ölwechsel kostet dann schlicht nur 1/3 von dem in den Werkstätten. Hierfür fehlte mir im Vorfeld schlicht die Kenntnisse über den Markt und die Gegebenheit in Ruanda. Durch viele Gespräche mit Buntu, aber auch Internetrecherche bekam ich ein immer besseres Bild und konnte so auch einige Vorschläge und Ideen ausarbeiten. Jedoch ist anzumerken, dass die technische Ausstattung der GEG im Rubavu District ihresgleichen sucht und es gibt einen sehr großen und weiter wachsenden Markt an Automobilen, welches im Grunde sehr gute Voraussetzungen Es ist kein Geheimnis, wenn ich verrate, dass der Erfolg in Ruanda viel von Mund zu Mund Empfehlungen, einer guten Story, Emotionen, der Hervorhebung der Partnerschaft mit der RTC sowie dem richtigen Einsatz des Wortes „German“ im Namen abhängt. Natürlich spielen noch einige weitere Faktoren eine nicht zu unterschätzende Rolle. Das Internet ist jedoch nicht die tragende Säule der Informationsbeschaffung, um die passende KFZ-Werkstatt zu finden, wie das doch eher in Mitteleuropa der Fall ist. Die junge Generation nutzt die Social Media Kanäle wie in der westlichen Welt, jedoch besitzen die wenigsten ein Auto. Die vorherrschenden Gegebenheit bedurften anderer Ideen und Konzepte als ich sie wohl in Europa vorgestellt hätte.
Nach vielen Gesprächen, Ausarbeitungen, PowerPoint-Folien und Konzepten hatten wir gemeinsam mit einem der deutschen Gesellschafter, Martin, der geplant Ende Oktober auch in Ruanda war noch ein Abschlussgespräch, um die Ergebnisse zu eruieren und zu entscheiden, wie es weiter geht. Ich kann nur sagen, dass ich den offenen Austausch sehr gut fand und wünsche der GEG alles erdenklich gute und habe die Hoffnung, dass einige meiner bzw. mit Buntu gemeinsam erarbeiteten Ideen, Früchte tragen werden. Ich bin mir sicher, dass die GEG hier ihren Platz und ihren Marktanteil erzielen kann und wird.
Natürlich habe ich auch nicht die ganze Zeit nur gearbeitet. Buntu hat mich einmal einen Tag in die ländlichen Regionen des Rubavu Districts entführt und mir auch die Gegend gezeigt, in der er aufgewachsen ist und noch ein Haus sowie einen Laden für Dünger und Insektizide hat. Die Gegend ist so etwas wie der Kartoffel und Zwiebellieferant für die Hauptstadt Kigali, da dort logischerweise wenig bi nichts angebaut wird. Ich habe Säcke weise Kartoffeln am Straßenrand gesehen, die auf den LKW gewartet haben, bis sie abtransportiert und nach Kigali gebracht werden. Die meiste Zeit fuhren wir auch dicht an der Grenze zum Kongo und in Sichtweite des berühmten Vulkans Nyiragongo, der erst letztes Jahr ausgebrochen ist und Anfang der 2000er die Millionenmetropole Goma im Kongo unter sich begraben hat. Der Vulkan ist schon gewaltig groß und sieht tatsächlich bedrohlich aus. Den Vulkan konnte man selbst von unserem Apartment aus sehen. Manchmal waren wir uns nicht sicher, ob dort nicht auch Rauch aus der Candela aufsteigt. Erwähnenswert ist noch, dass Buntu und ich die Tour alles mit dem Motorrad machten und ich hinten drauf. Die Straßenverhältnisse waren teilweise sehr schlecht, ich wurde gut durchgeschüttelt. Aber eine tolle Erfahrung und nochmal ein ganz anderer Blick auf das Land und den Rubavu District.
Neben meiner Tätigkeit in der GEG hatte ich die Chance in der RTC einen Vortrag über den Recuriting Prozess in Deutschland zu halten, da das für die Schüler sehr spannend ist, wie das Onboarding in Deutschland im Vergleich zu Ruanda funktioniert. Ich fand es umgekehrt auch sehr spannend von den Schülerinnen und Schülern zu erfahren. Gleichzeitig war ich doch auch etwas erschrocken von der Haltung mancher Schülerinnen und Schüler, dass es bspw. in Ordnung ist ausländischen Arbeitern für denselben Job, den sie wie inländische ausführen weniger zu zahlen, da diese in der Regel schlechter ausgebildet sind. Als ich von der Lehrerin dazu angesprochen wurde wie das in Deutschland ist, kam ich nicht umhin den Vergleich umzudrehen, dass die Schülerinnen und Schüler, wenn sie bei mir im Team in Deutschland arbeiten würden, dass sie gewiss auch nicht glücklich wären, bei Ausführung identischer/ähnlicher Tätigkeiten, wie andere KollegInnen, dann dafür weniger Gehalt zu erhalten. Leider hatte ich nicht das Gefühl, dass meine Botschaft alle erreicht hat.
Wir hätten noch viel mehr machen können, da wir noch zahlreiche weitere Ideen und Ansätze für Verbesserungen haben und die Zeit für eine nachhaltige Umsetzung viel zu kurz war. Wir hoffen, dass unsere Impulse auch dazu beitragen, dass sowohl die Lehrer an der RTC, aber auch bei der GEG oder im Hotel neues ausprobieren und dem Ansatz Trial and Error folgen und so den Weg finden, was am besten funktioniert. Von den Tätigkeiten her, war das ein Heimspiel für uns, was sich von denen in Uganda und Ruanda deutlich unterschieden hat, uns aber bereichert und gleichzeitig herausgefordert hat, in der kurzer Zeit auch etwas zu bewirken, da sowohl Julia als auch ich den Ehrgeiz besitzen, das Beste herauszuholen!