Nach unserem langen Roadtrip an der Garden Route entscheiden wir uns für einen Zwischenstopp in Johannesburg. Um ehrlich zu sein, haben wir auch unsere Pläne geändert. Ursprünglich wären wir von Port Elizabeth aus nach Mwanza in Tansania und dann weiter nach Chato am Lake Victoria zu einer Schule geflogen. Leider wurden die großen Schulferien, welche immer im Dezember starten an der Schule bereits vorgezogen, sodass wir maximal eine Woche dort vor Ort gehabt hätten. Dazu kam, dass sich die Anreise nach Mwanza mit dem Flugzeug als äußerst aufwändig, lang und mit vielen Umstiegen gestaltet hätte. So kamen wir auf diese Idee, mit einem mehrtägigen Zwischenstopp Johannesburg direkt nach Arusha in Tansania zu fliegen. So landeten wir in Johannesburg und haben schon bei Gesprächen und Recherchen im Voraus nicht unbedingt ermutigendes gehört und gelesen. Erschütternde Berichte über die Kriminalität von Einheimischen während der Garden Route, die allseits beschriebene Unsicherheit als Tourist und mahnende Sorgen unserer Eltern haben den Entschluss für einen Aufenthalt in Johannesburg nicht unbedingt einfacher gemacht. Und dennoch haben wir uns zum Glück gewagt, sechs Tage lang die Stadt zu erkunden und ein differenzierteres Bild zu erlangen. Aber starten wir von vorne.
Unser Apartment liegt in Maboneng, einem jungen aufstrebenden Viertel, das durch viele Bars, Clubs, Cafés und Restaurants bekannt ist und ein breites Angebot an Start-Ups, Kunstgalerien und Street Art bereit hält. Es ist nahe zu Downtown Joburg, wie die Einheimischen Johannesburg nennen, das besonders verrufen ist und wir mit Vorsicht genießen. Vor einigen Jahren waren auch die heutigen Hipster Stadtteile Maboneng, Newtown und Bramfontein noch die Heimat von Kriminellen und Diebesbanden. Durch eine massive Ausweitung der Kriminalitätsbekämpfung und Polizeipräsenz hat sich die Lage spürbar verbessert.
Es gilt jedoch einige, eigentlich logische, Regeln zu befolgen. Aufgrund der Sicherheitslage sind vor einigen Jahren auch zahlreiche, wohlhabende Bewohner Joburgs eher in den Norden der Metropolregion gezogen. Einmal scheinen wir etwas zu tief in die gefährlichen Seitenstraßen geraten zu sein, dass ein Autofahrer anhält und uns bestimmt auffordert, sofort den Rückweg anzutreten. Selbst Uber Fahrer schildern uns, dass sie hier in berüchtigte Straßen nur ungern fahren und uns dringend davon abraten Strecken dort zu Fuß zurückzulegen.
So fahren wir wenn dann verriegelt durch die beschriebenen Viertel und sehen verlassen heruntergekommene Straßenviertel, Menschen die auf Müllbergen schlafen und aus Regenpfützen auf den Straßen trinken. Es sind Zustände, die uns an Filmausschnitte aus dem kleinen Lord erinnern, als er durch das Armenviertel vor den Toren des Schlosses reitet. Die Straßen sind verdreckt, es riecht nach einem Cocktail aus Fäkalien, Rauch und Gras und die hoffnungslosen Gesichter und Blicke gehen uns noch lange nach. Gefühlte zwei Straßenecken weiter kann sich das Bild der Stadt recht schnell ändern. Meist leerstehende Hochhäuser, quirliges Geschäftstreiben und das Gefühl wieder in der urbanen Mitte Johannesburgs angekommen zu sein. Unser Guide der Walking Tour erklärt uns, dass viele ausländische Firmen nach dem Ende der Apartheid Johannesburg den Rücken gekehrt hätten und es daher zu einem großen Leerstand der Tower gekommen ist, weil sie nicht wussten, wie sich die Situation im Land entwickeln würde. Für uns ein wenig unverständlich und surreal, dass in einer Metropole die höchsten Gebäude die wenig genutztesten sind und Menschen zugleich auf der Straße schlafen müssen.
Dennoch tut sich viel in Johannesburg – es gibt kreative Köpfe, die berüchtigte Viertel wieder lebenswürdiger machen und resozialisieren. Es sammeln sich oft junge Leute an, Studenten, Künstler und „Macher“, die Kulturzentren bilden und Pläne schmieden und umsetzen. Ein Paradebeispiel ist das Viertel Bramfontain. Neben Maboneng ist es sehr bunt, die Häuser sind oft mit meterhohen Street Arts verziert, die vor Farbe sprühen und alle eine Geschichte erzählen. Sie haben alle ihre Hintergründe und tiefgreifende Gedankengänge, die wir bei einer privaten Street Art Tour erläutert bekommen.
In Bramfontain gibt es seit ein paar Jahren den Playground – ein Ort des Zusammentreffens aller Altersgruppen und Nationalitäten, von Musikbegeisterten bis Schmankerl- und Souvenirsuchern. Jedes Wochenende findet hier der Playground Market am Samstag statt, der eine große Vielzahl an Food Corners bereithält und lokalen Verkäufern eine Plattform bietet, um ihre Produkte zu vermarkten. Umrahmt wird der Markt von verschiedenen Musikbands und Ausblicken auf Bramfontain, da das Gebäude mehrstöckig ist und sehr offen gestaltet ist. Uns hat der Flair hier sehr gut gefallen und kulinarisch sind wir gefühlt einmal um die Welt gereist.
Ein weiterer spannender Ort ist das Stanley 44, das wir während unserem Aufenthalt erkundet haben. Es ist ein Einkaufszentrum der besonderen Art – in einem verschachtelten Baukomplex versammeln sich viele kleine individuelle Boutiquen gepaart mit kleinen Cafés und leckeren Restaurants. Im Stanley 44 kann man wirklich ewig stöbern und arm werden und es sich im Salvation Café gutgehen lassen.
Johannesburg bietet eine ganze Vielzahl von Märkten – alle guten Dinge sind drei und so statten wir zu guter Letzt dem Rosebank Sunday Market einen Besuch ab. Unzählige Händler preisen ihre Ware auf einem Parkdeck an und bieten eine reiche Auswahl an Textilien, Schmuck und Kunstartikeln. Auch hier reisen wir kulinarisch über den ganzen Globus und bleiben im Anschluss noch etwas in Rosebank, das uns nochmal ein ganz anderes Gesicht von Johannesburg offenbart. Schon bei der Anfahrt verlassen wir das gewohnte Johannesburg und tauschen dicht aneinander gebaute, teils verfallende Häuserzeilen mit einem Minishop am nächsten gegen luxuriös gebaute Villen und Luxus Shopping Malls, saubere Straßenzüge und bekannte internationale Läden und hochpreisige Restaurants ein. Sind wir wirklich noch in Johannesburg?
Wir laufen hier deutlich „unbeschwerter“ durch die Straßen und zücken unsere Handys mit weniger Bedenken vor Diebstahl. Es bietet sich uns ein krasser Kontrast zu dem, was wir bisher von der Stadt gesehen haben und wir begegnen wieder mehr Menschen verschiedenster Hauttypen. Viele eher klassische Touristen scheinen hier ihre Hotels zu suchen und die Shopping Malls vor Ort zu bereichern. Armut ist an diesem Ort kaum vorstellbar, wenn man Johannesburg nur unter dieser Brille wahrnehmen möchte. Ähnlich sieht es in einem nur wenige Kilometer weiter entfernten Viertel von Johannesburg aus. Sandton – es ist schon mehr eine eigene Stadt im Norden Johannesburgs – prahlt mit grünen Alleen, meterhoch abgesicherten Eingangstoren und Mauern, hinter denen das wohlhabende Klientel abgeschirmt und luxuriös residiert. Krönung dieses Kontrastes sind das Nelson Mandela Square und Sandton City Shopping Center, welche hochpreisige Luxusartikel, Modemarken und Firmen aus aller Welt beherbergen und in einer modernen Architektur vereinen. Daneben zieht es auch hier große Banken und Hotelketten in futuristisch entworfene Hochhäuser, die das Bild des unbeschwerten, modernen und international aufgestellten Johannesburgs untermalen.
Neben all den vielen Shopping Möglichkeiten hat Johannesburg viele geschichtsträchtige Persönlichkeiten in Soweto vereint. Soweto – wenn man diesen Stadtteil von Johannesburg googelt, ist das meist verbundene Wort der Stichwortsuche „Township“. Unzählige Tourenanbieter versammeln sich, die Touren und die „ultimative Township Erfahrungen“ anpreisen und die „Besichtigung“ dieser Viertel aus unserer Sicht unangenehm vermarkten. Externe Reiseartikel warnen zum Teil davor, sich alleine nach Soweto zu begeben und starten beinahe Dämonisierungen, die Schreckensgespenster gedanklich entstehen lassen. Wir sind durch die lange Reise und die Aufenthalte in Ostafrika gerade in den ländlichen Gebieten schon einige unterschiedliche Lebensverhältnisse der Landbevölkerung gewohnt und von den Darstellungen im Internet nicht sonderlich abgeschreckt. Uns ist es vielmehr daran gelegen, einen authentischen Einblick zu erhalten und vor allem auch vor dem Hintergrund unserer Volunteerarbeit Organisationen im Township aufzusuchen, die sich für die dort lebende Bevölkerung nachhaltig einsetzen. So recherchieren wir doch länger und finden das Curiocity Hostel ein paar Meter nach unserem Apartment, das Soweto Touren der individuellen und unserer Ansicht nach vertretbaren Art und Weise gestaltet. Neben den bekannten Museen und Hotspots Sowetos werden hier Wohltätigkeitseinrichtungen besucht und ein Tourismus veranstaltet, dessen Gelder in die Townships fließen und zur Unterstützung der Bewohner verwendet werden. Nach einer kurzen unkomplizierten Anfrage ermöglicht es uns unser Guide sogar, ein bestimmtes Jugendzentrum zu besuchen, von dem Alex gelesen hat und mit dem Organisator in Verbindung treten möchte.
So starten wir unseren Tagestripp nach einem leckeren Frühstück im Café Bertrand und sind gespannt, auf welche Zustände wir treffen werden und welche historischen Informationen wir neu dazu lernen werden und vor allem inwiefern die Darstellungen aus dem Internet der Wirklichkeit entsprechen.
Nach einer kurzen Fahrt halten wir bereits an. Irgendwo unter einer Brücke mit Blick auf eine dem Anschein nach verlassene Feldbuckelpiste, auf der ein paar Menschen geschäftig werkeln. Eco, unser Guide erklärt, dass hier ehemalige Goldminen noch immer von Leuten aus vorwiegend Zimbabwe und Botswana aufgesucht werden, um Restbestände mühselig abzubauen. Es sei ein regelrechter Kampf um das Gold und von diversen Bandenkriegen begleitet, die sich im illegalen Goldrausch befinden und Männer in verlassene Schächte schicken oder Gold aus schlammigen Bächen auswaschen. Johannesburg gilt gemeinsam mit Pretoria als wichtigste Wirtschafts- und Finanzmetropole Südafrikas und hat nicht zuletzt dem Gold seine Entstehung zu verdanken, welche in der Zulu Sprache übersetzt auch „Stadt des Goldes“ heißt. Wer es nicht weiß, Johannesburg ist die einzige Metropole weltweit, die nicht am Meer, an einem See oder Fluss gebaut wurde. Die Metropolregion macht rund ein Drittel der Wirtschaftsleistung des Landes aus.
Auf unserem Weg Richtung Soweto strahlen uns immer wieder sandsteinfarbig helle riesige Schutthalden an, die einem unnatürlich künstlich angelegtem Gebirge gleichen und die Stadt umgeben. Hunderte Firmen gruben über Jahrzehnte an Stellen innerhalb der Stadt nach Gold und erschufen dadurch ein riesiges Labyrinth aus Schächten und Stollen, auf denen heute die gesamte City erbaut ist.
Im Anschluss streifen wir das große FNB Stadium, das im Rahmen der Weltmeisterschaft 2010 vergrößert wurde und aus verschiedenen Orten der Stadt immer wieder einen Eyecatcher darstellt und zugleich das inoffizielle Eintrittstor nach Soweto sei.
Es geht also los und nach ein paar Kilometern verlassen wir die geteerten Straßen und fahren auf holprigeren Wegen vorbei an immer kleineren Hütten, die zum Teil keinen Anschluss an Strom oder Wasser haben. Die Lebensbedingungen der Menschen werden unwürdiger und für europäische Verhältnisse zum Teil unvorstellbar. In Wellblechhütten, allen Wettereinflüssen gnadenlos ausgesetzt, wohnen die ärmsten Bevölkerungsteile Johannesburgs unter erschreckenden Zuständen. Miete müsse hier keine gezahlt werden so unser Guide. In den Townships selbst herrschen eigene Gesetze und Regeln und während unserem Gang erfahren wir, dass die Regierung während der Wahlperioden Strommasten und zentrale Wasseranschlüsse für die gesamte Region zur Verfügung gestellt hat. Im Anschluss an die Wahlen sei den Bewohnern vermittelt worden, dass nun dafür gezahlt werden solle. Von welchem Geld fragen wir uns? Aus der Not heraus sind illegale Leitungen an die Strommasten gelegt worden, die mittlerweile die Wellblechhütten versorgen und von der Regierung nicht kontrolliert werden können. Dass zwar mittlerweile vor Ort Strom herrscht soll die Lage nicht beschönigen – zentral aufgestellte Dixiklos sind die einzigen sanitären Anlagen, die sich zu Hauf geteilt werden müssen. Gekocht wird meist auf offenem Feuer, Türen oder Glasfenster sind eher spärlich zu finden und Privatsphäre auf dem engen Raum Fehlanzeige. Es wirft bei uns Fragen auf, wie Menschen unter diesen Bedingungen ein Leben führen können. So dramatisch sich das anhört und unsere Tourenbegleiter des Tages waren auch teils entsetzt, so gewohnt erschien das Bild für uns. Wir wollen damit nicht sagen, dass wir abgestumpft sind, aber nach 3 Monaten in Uganda und Ruanda haben wir doch leider einiges gesehen, dass sich in eine lange Liste von Armut und Leid reiht, wo wir überall helfen wollen, aber leider nicht überall können.
Zugleich gibt es Hoffnungsschimmer wie das Kliptown Youth Program, das wir im Anschluss besuchen und das Alex als separaten Stopp bei unserem Tourguide anfragte.. Der Gründer und Ideengeber stammt selbst aus dem benachbarten Township und kennt die Lage vor Ort seit Kindesbeinen an. Er weiß um die Nöte und täglichen Herausforderungen und hat sich als Ziel gesetzt, vor allem durch Bildungsmöglichkeiten den Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Daneben wird für rund 500 Kinder täglich ein Frühstück und Mittagessen gestellt (was oftmals die einzigen Mahlzeiten der Kinder sind) und im Anschluss an den Schulbesuch für Hausaufgabenbetreuung gesorgt. Eine Bücherei und öffentliche Computerräume, die von der gesamten Bevölkerung genutzt werden können, erweitern das Angebot. Das Gebäude selbst ist unglaublich modern, offen und hell gestaltet und bietet eine richtige Wohlfühlatmosphäre mit Freiflächen und Fußballplatz. Für die Kinder, die neben dem Schulbesuch auch oft zuhause viele Hausarbeiten wie Wasser holen, Kochen und Putzen übernehmen müssen, sehen wir eine Anlaufstelle zur Erfüllung ihrer Grundbedürfnisse und Entwicklungsmöglichkeiten für ihre persönliche Zukunft. Wir sind begeistert, was hier durch den Antrieb Einzelner auf die Beine gestellt wurde. Wie so oft basiert hier alles alleine auf Spendengeldern und Ehrenamtsarbeit sowie ehemaligen Teilnehmern am Kliptown Youth Program, die mittlerweile ihre Schullaufbahn beendet haben und zu Förderern der Einrichtung geworden sind. Während unserer Rundtour stellen wir viele Fragen, sehen herausragendes Engagement der Menschen vor Ort und sind von der nachhaltigen Einrichtung besonders angetan. Wer hier ebenfalls spenden möchte und einen tieferen Einblick erhalten will, dem sei die Website besonders ans Herz gelegt. Wir haben Kontaktdaten ausgetauscht und hoffen in Verbindung zu bleiben, um uns dort einbringen zu können.
https://www.kliptownyouthprogram.org.za/
Eine ähnliche Einrichtung stellt das deutlich kleinere „Little Rose Center“ in Kliptown dar. Auch hier wird wertvolle Arbeit für eine bessere Zukunft der Kinder vor Ort geleistet!
Wir bleiben nach unserem Besuch in Kliptown in Soweto und sehen in diesem Stadtteil selbst ganz unterschiedliche Gesichter aufeinander prallen. Wir fahren aus den nachhaltig erschreckenden Zuständen in eine für uns moderat wirkende Wohnsiedlung, die zum Teil bessere Infrastruktur und Baustile aufweist als so manche andere Stadtteile Johannesburgs. Hier sei das bereits weiter entwickelte Soweto angesiedelt laut Angaben unseres Guides. Von einem Township Gedanken sind wir hier ganz weit entfernt, die Realität entspricht eher einer Touristenhochburg, die sich an geschichtsträchtigen Orten wie dem Hector Pieterson Museum versammelt oder in der Vilakazi Street, die die ehemaligen Wohnorte gleich zweier Friedensnobelpreisträgern vereint. Nelson Mandela und Desmond Tutu.
Die Ausstellungen in diesem Bezirk widmen sich vor allem dem Kampf gegen die Apartheid, persönlichen Lebensgeschichten und einschneidenden Momenten der Geschichte Südafrikas. Ein paar Sätze noch zum Hector Pieterson Memorial, weil das insbesondere Alex sehr nachgegangen ist und er sich dazu auch noch eingelesen hat. So betrachtet handelt es sich vielleicht um einen der dunkelsten Fälle der südafrikanischen Nachkriegsgeschichte. Im Juni 1976 demonstrierten tausende Schüler friedlich gegen die Unterdrückung und Apartheid in Südafrika. Die Polizei hat Straßensperren errichtet und ist dann ohne Vorwarnung auf die Schüler los. Um die 60 Schüler/innen haben dabei ihr Leben verloren. Hector Pieterson war der erste Junge, der an diesem Tag von einem Polizisten erschossen wurde und steht stellvertretend für das -man kann es nicht anders bezeichnen- Massaker. Mit unserem Guide sind wir dann entlang der Villa Kazi Street an den Punkt gelaufen, wo die Polizeisperren 1976 aufgebaut waren. Die Energie von damals war noch spürbar auch durch die am Boden rotgefärbten Steine als Erinnerung an das vergossene Blut. Wir hatten Gänsehaut!
Wir haben im Nachgang zu der Tour auch nochmal reflektiert und sind wie vermutet zu der Erkenntnis gekommen, dass für den Stadtteil Soweto viel negativ geschrieben und dämonisiert wird. Wie überall in Afrika sind ein paar Regeln zu beachten, wie das Handy nicht auf offener Straße in der Hand halten oder auch nicht nach Anbruch der Dunkelheit herumlaufen, sondern das Uber nutzen. Wenn das die No-Go Kriterien sein sollten, dann hätten wir auch kein Apartment ohne Einheimischen Hilfe in Maboneng buchen dürfen.
Neben vielen historischen Fakten lernen wir auch typisches Township Essen kennen, das unser Guide auch als perfektes Mahl nach einer ausgiebigen Partynacht anpreist. Ein Kota – frittierte Pommes vereint mit einer Wurst, Sauce und Käse in einem quadratischen Brötchen. Am ehesten kommt dieses Gericht noch einem Hotdog gleich, nur in gefühlt dreifachem Ausmaß seiner Masse und einem deutlich schnelleren Sättigungsgrad.
Den Abschluss der Tour stellt das Apartheid Museum dar, welches in aufwändig bereiteten Ausstellungsräumen, kurzen Videosequenzen und verschiedenen Außenbereichen einen tiefen Einblick in die Komplexität der geschichtlichen Zusammenhänge zur Apartheid aufklärt. Es sind unzählige Fotos, Erinnerungsstücke und voll beschriebene Infotafeln, die den Weg säumen. Nach guten zwei Stunden rauchen unsere Köpfe und wir merken, dass wir zwar noch nicht jedem Ausstellungsraum die volle Aufmerksamkeit gewidmet haben, aber das Maß an Aufnahmefähigkeit schwindet. Hier könnte man sicherlich mehrere Tage verbringen, um alle kleinen Details und Infostrecken ausgiebig zu studieren.
Wir statteten dem Constitution Hill (Verfassungshügel) in Bramfontein noch einen Besuch ab. Wir sind mit dem Uber dorthin gefahren. Tatsächlich war es an dem morgen sehr ruhig auf den Straßen dort und wir fühlten uns dann doch etwas unwohl. Tatsächlich haben wir dann gesehen, wovor alle warnen. Drei Jugendliche haben einem Einheimischen das Handy aus der Hand gerissen und sind davon gerannt, allerdings hat der Bestohlene geistesgegenwärtig reagiert und den Dieb gestellt. Genaueres haben wir dann nicht mehr verfolgt, jedoch wurde uns in dem Augenblick klar, dass wir in der Gegend vorsichtig sein müssen. Beim Eingang des Constitution Hill angekommen, zeigte sich uns eine alte Fortanlage, welche früher auch ein Gefängnis war, in dem u.a. Nelson Mandela und Mahatma Gandhi inhaftiert waren. Heute ist dort der Sitz des Verfassungsgerichts von Südafrika.
Als wir am Gerichtsgebäude ankamen, haben wir viele Einheimische gesehen, die demonstrierten. Die Demonstranten haben sich jedoch dort richtig häuslich niedergelassen und wollten nicht nur einen Tag mal demonstrieren. Wir haben am Touristendesk etwas nachgehakt und erfahren, dass die Menschen auf eine Entschädigung aus der Apartheid Zeit hoffen, welche Ihnen die Regierung bislang verwehrt. Im Vordergrund des Rundgangs im Fort und Gefängnis stehen ganz klar die beiden berühmten Insassen Mandela und Gandhi. Die Zustände für die Insassen werden sehr eindringlich dargestellt.
Johannesburg hat auch kulinarisch und feiertechnisch einiges zu bieten. Alleine in unserem Viertel in Maboneng reihen sich Cafés neben international aufgestellten Restaurants bis hin zu Rooftop Bars und Partymeilen. Am Wochenende wird in dem Viertel bis tief in die Nacht gefeiert und herrliche Sonnenuntergänge mit der Skyline von Johannesburg sind nur eines der vielen Highlights in Johannesburg. Der Eindruck ist jung, dynamisch und hip. Und zugleich bietet sich auch hier wieder das andere Gesicht Johannesburgs. Unsere neu kennengelernten Tischnachbarn in der Roof Top Bar fragen mehrmals beim Abschied, ob wir auch wirklich sicher nach Hause kommen und dass wir gut auf uns aufpassen müssen. Ja – das sagt man sicherlich auch in Deutschland oder anderswo, aber hier fällt es uns sehr häufig auf, dass Sicherheitsbedenken geäußert werden und die Gedanken nicht ohne Grund kommen. Wir haben unser Appartement so strategisch gewählt, dass die Rooftop Bar nur einen Katzensprung entfernt ist – genau genommen nur einmal über die Straße, bis wir auch schon müde in unsere Betten fallen und mit den Bässen der Partymeile einschlafen.
Was nehmen wir mit aus unseren 6 Tagen in Johannesburg? Das treffendste Bild ist wohl jenes der zwei Gesichter, die kontrastreicher nicht sein könnten. Luxus trifft auf Armut, ausgelassene Partystimmung auf scharfe Bandenkriege, innovative Start Up Unternehmen auf leerstehende Businesstower, farbenfrohe moderne Street Art Künste auf heruntergekommene graue Straßenzüge und palastartige mit hohen Mauern abgeschirmte Villen auf Township Wellblechhütten ohne Strom- und Wasserzugang. Johannesburg hat uns nochmal ein ganz anderes Bild von Südafrika vermittelt – ungeschminkter und direkter als jenes der Garden Route, die überwiegend die Postkarten Motive dieses Landes darstellt.
Trotz aller Bedenken sind wir froh und dankbar, uns für Johannesburg entschieden zu haben. Mag sein, dass wir auch ein Quäntchen Glück hatten, dass wir unseren Aufenthalt unbestohlen und unversehrt genießen konnten. Die Stadt hat einfach so viel zu bieten und hat um einiges mehr an Potential, als man nach den Berichten und Schauergeschichten vermuten mag. So sollte Johannesburg für künftige Touristen mehr sein als nur der Dreh- und Angelpunkt am Flughafen, der möglichst schnell verlassen wird, um das umworbene gefährliche Pflaster zu meiden. Und sind wir auch mal ehrlich – fast überall passieren Überfälle, Taschendiebstähle und Gerüchte rumoren über Bezirke oder Stadtteile. Mit einem gewissen natürlichen Respekt und der Einhaltung der „Do´s and dont´s“ ist Johannesburg vielseitig, bereichernd und lehrreich!