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Kolumbien – vom Landesinneren bis an die karibische Küste

Drogen- und der einstige Guerillakrieg, gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Bandenführern sowie lange Zeit der Stempel des gefährlichsten Landes der Welt lassen bei einem Großteil unseres Verwandten- und Bekanntenkreises die Augenbrauen hochziehen, als wir uns nach Ecuador für die Weiterreise nach Kolumbien entscheiden. Zugegeben – Traumziel Nummer Eins war das Land zu Beginn unserer Planungen nicht, eigentlich stand es gar nicht auf unserer Bucket List. Aber als die politische Situation sich in Peru mehr und mehr zuspitzt und wir uns keinem unnötigen Risiko ausgeben wollen, schwenkt unser Blick beim Betrachten der Weltkarte in den Norden Ecuadors und somit zwangsläufig auf Kolumbien. Rein optisch betrachtet ist Kolumbien etwa dreimal so groß wie Deutschland und ist sowohl vom pazifischen Ozean als auch vom karibischen Ozean eingerahmt. Dazwischen erstrecken sich unterschiedlichste Landabschnitte: 

Dünen, Wüsten, Amazonas, Vulkane, die Anden und satt grüne Kaffeeplantagen Regionen. Die Lage am Äquator beschert dem Land eine Vielzahl an Ökosystemen, unterschiedlichen Klimazonen und neben der Natur auch einen großen Artenreichtum. Das ruft für uns regelrecht nach Abenteuer und nach ausgiebiger weiterer Recherche zur aktuellen Sicherheitslage sind wir uns einig. Das Land bietet so viel Potential und hat sich seit 2016 stetig in seiner Sicherheitslage verbessert, sodass wir neugierig geworden sind und über die Landgrenze von Ecuador nach Kolumbien einreisen.

 

Bereits kurz nach der Grenzüberquerung wartet die erste Fotokulisse auf uns: Die Santuario de la Virgen de Las Lajas erinnert eigentlich mehr an die Kulisse eines Fantasy-Films als an ein klassisches Gotteshaus. Thronend posiert das architektonische Wunder 100 Meter über dem Guáitara-Fluss und zieht mit der einzigartigen grazilen Ausgestaltung die Betrachter in ihren Bann. Verschiedene Meinungen gehen sogar so weit, dass diese Kirche als die Berühmteste ganz Kolumbiens gefeiert wird.

Nach dem optischen Highlight geht es weiter mit dem Bus nach Pasto. Der Ort ist für uns mehr eine Zwischenübernachtung, um von dort aus weiter nach Cali zu fliegen. Leider hat ein massiver Erdrutsch die Hauptstraße nach Cali versperrt, sodass jegliche Umleitungen nicht nur einen massiven Zeitzuschlag für die meist eh schon lange Busfahrt bedeuten würden, sondern auch ein nicht zu unterschätzendes Sicherheitsrisiko bezüglich der Straßenverhältnisse bereithalten. Nach bereits vorab getätigtem Kontakt mit dem deutschen Konsul in Cuenca, Ecuador und dessen dringender Empfehlung auf das Flugzeug umzusteigen, entscheiden wir uns für den knapp einstündigen Flug nach Cali. Dieser fängt bereits spannend an, denn die Andenregion, in der wir uns anfangs noch befinden, empfängt uns mit dichtem Nebel und erschwerten Flugverhältnissen für unseren Piloten. Mit ein wenig Verspätung heben wir dennoch ab und landen wenig später in Cali.

Kolumbiens Salsa Hauptstadt Cali

Hier spüren wir sehr schnell den starken Temperaturunterschied. Während wir in Pasto noch über unsere Pullover und Regenjacken froh waren, fiebern wir nach der Ankunft in Cali unseren kurzen Hosen und T-Shirts entgegen. Insgesamt bleiben wir vier Tage in Cali und werden von den allgegenwärtigen Salsa Rhythmen in den Bann gezogen.

Zunächst vorwiegender Hauptgrund nach Cali zu reisen ist das Wiedersehen mit Maria, die eine alte Bekannte aus Alex Aufenthalt in Chicago darstellt und uns auf ein Treffen in ihrer Heimatstadt eingeladen hat. Dieses findet jedoch erst am Ende unserer Tage in Cali statt und so erkunden wir größtenteils auf eigene Faust die Stadt.

Im Parque Artesanal Loma de la Cruz fühlen wir uns ein bisschen wie in Barcelonas berühmten Park Güell von Gaudi. Bunt bemalte terrassenförmig angelegte Sitzmöglichkeiten bieten einen herrlichen Blick auf die Salsahauptstadt. Dahinter lässt es sich an Souvenirständen entspannt vorbei schlendern und die reichliche Auswahl von bunten Taschen und knalligen Hängematten bewundern. Ein paar Meter weiter geht es schon wieder die steilen Hügel hinab und unsere Knie sind froh, als sie wieder ebene Flächen laufen müssen. Es ist hügelig in der Stadt und die Steigungen sind zum Teil so extrem, dass schwach motorisierte Autos an der Kuppe ordentlich kämpfen und die Motoren immer wieder aufheulen.

Ein weiterer berühmter Park in Cali ist der Parque del Gato de Tejada, der für seine Katzenskulpturen bekannt ist. Wir taufen diesen Grünstreifen entlang eines kleinen Baches mitten durch die verkehrslastige Hauptverkehrsader liebevoll Catwalk und spazieren an den individuellen Kunstwerken gemütlich entlang, nachdem wir das Museo La Tertulia besucht hatten. Um ehrlich zu sein ein etwas verstörender Besuch zeitgenössischer Kunst, nachdem wir uns nur selbst ausmalen konnten, was die Künstler mit der jeweiligen Installation ausdrücken wollten. Jegliche Informationen waren einzig und alleine auf spanisch verfügbar, was die Nachvollziehbarkeit erschwerte und dem Interpretationsspielraum keine Grenzen setzte.

Wir erkunden Cali nicht nur auf eigene Faust, sondern schließen uns auch zwei verschiedenen Führungen durch die Stadt an. Bei einer historischen Free Walking Tour durch das Zentrum erfahren wir viele interessante Infos zur berüchtigten Vergangenheit dieser Stadt. Calis Geschichte hängt eng mit dem Handel des Rauschgifts Kokain zusammen. Bis in die 90er-Jahre hinein kontrollierte das Cali-Kartell 80 Prozent der Kokainexporte in die USA. Neben dem Drogenhandel gehörten Geldwäsche, Bestechung und Gewalt zum Geschäftsbereich, bevor das Kartell Mitte der 90er Jahre endgültig zerschlagen wurde und sich die Sicherheitslage zunehmend gebessert hat. Calis Architektur zeichnet sich viel durch historische spanische Kolonialbauten aus, dicht gefolgt von teils unverputzten grauen Betonklotzen oder dicht bemalten Graffiti Wänden. Ein abwechslungsreicher Mix begleitet uns auf unserer Erkundungstour und das geschäftige Treiben der Arbeiter- und Industriestadt ist allgegenwärtig.

Bei einer expliziten Food Tour durch Cali genießen wir die kulinarischen Highlights und exotischen Früchte, die uns trotz unserer bereits vielseitigen Reise noch gänzlich neu sind. Jedes Land hat immer wieder neue Leckerbissen zu bieten, die zum Teil gewöhnungsbedürftig und ungewohnt schmecken, riechen oder aussehen. Wir probieren uns durch fast alle angebotenen Gaumenfreuden, bevorzugen jedoch meist die vegetarischen Varianten. Selbst als Nicht-Vegetarier braucht es hier eine gewisse Überwindung, den aufgetischten Speisen gegenüber aufgeschlossen zu sein, nachdem hier wirklich ALLES jeglicher Lebewesen zum Verzehr angeboten wird und uns meist der Anblick und Geruch alleine ausreicht.

Jeder, der einmal Cali besucht hat oder besuchen wird, kommt wohl kaum um eine Salsa Tanzstunde herum. Aus sämtlichen Bars klingen die Rhythmen und beinahe jedes Hostel bietet Schnupperstunden für Anfänger und Fortgeschrittene an. So auch unser Palmera Hostel, das täglich abends ab 18.00 Uhr mit geschulten Tanzlehrern Gruppenstunden veranstaltet und die ersten Basics erklärt. Hier kommt wirklich Jeder auf seine Kosten und egal ob bereits mit Erfahrungen oder ohne, der Spaß und das Gefühl für Calis Rhythmen stehen hier an erster Stelle. So bucht Alex gleich noch eine Einzelstunde Salsa für den nächsten Tag, in der wir weitere Details erlernen und mehr oder weniger im Takt schwingen.

Unseren Abschluss in Cali stellt ein gemeinsames Frühstück mit Maria dar. Das Wiedersehen ist besonders und nach so langer Zeit gibt es einiges zu erzählen. Dabei rast die Zeit viel zu schnell und unsere Abfahrt mit dem Bus nach Salento stellt ein natürliches Ende des Rendez-vous dar. Nachdem uns Maria noch zum Busterminal begleitet hat, verlassen wir die erste Großstadt Kolumbiens und ziehen weiter ins beschauliche Salento.

Salento – die grüne Ruheoase inmitten grüner Kaffeeplantagen

Nach dem Besuch in der drittgrößten Stadt Kolumbiens erwartet uns nach der Busfahrerei eine wohltuende Abwechslung in Salento. Das touristisch beliebte Dorf liegt idyllisch im Departamento Quindio und ist vor allem für seinen Kaffeeanbau bekannt. Schon bei der Anfahrt verlassen wir die großen Verkehrsachsen und schlängeln uns kurvige Sträßlein die Hügel hinauf zu unserem Ziel. Es wirkt alles ruhig und beschaulich als wir ankommen und unsere neue Unterkunft empfängt uns mit einem herrlichen Garten mit einer Vielzahl an Vögeln, die sich in den Bäumen und Büschen ausgiebig putzen und uns Gesellschaft leisten. Kein Großstadtgetümmel, kein Hupen und keine besondere Umsicht für unsere Wertgegenstände sind hier an der Tagesordnung. Im Gegenteil – wir wagen uns auch noch nach Anbruch der Dunkelheit in die Gassen, genießen regionale Schmankerl wie frisch zubereitete Forelle und bestaunen die bunten Häuserfassaden im Zentrum Salentos. Diese formen regelrecht das Stadtbild Salentos: Aus Holz gefräßte Schanierrahmen kleben an den Mauern, verziert mit individuellen Bemalungen und Mustern und französisch anmutende Balkone in farblich abgestimmten Designs vollenden das Gesamtbild. Jedes Haus ist für sich einzigartig gestaltet und versprüht seinen eigenen Charme. Hinter den Häusertüren öffnen tagsüber zahlreiche Kunsthandwerksgeschäfte und auch die klassischen Tourishops, die verschiedene Waren anbieten. Gerade am Wochenende kann es in der beliebten Einkaufsmeile schon einmal voller werden, wie wir selbst erfahren haben.

Doch neben dem wuseligen Zentrum verschlägt es uns ins Hinterland Salentos, das mit dem bekannten Valle de Cocoa lockt. Mit dem Willy, einem modernen und für die Region typischen Geländewagen, geht es in sportlichem Tempo zum Eingang des Tals. Bereits auf dem Weg dorthin tauchen wir beinahe in altvertraute heimische Gebiete ein. Wüssten wir es anfangs nicht besser, ähnelt die Natur ganz stark dem Alpenvorland mit ihren grünen Wiesen, grasenden Kühen und plätschernden Bachläufen. Auch an bewaldeten Bergketten mangelt es nicht und die unebenen Schotterstraßen ähneln so mancher Forststraße in der Heimat.

Als wir nach einer 20 minütigen Fahrt am Ausgangspunkt ankommen, sticht uns der Unterschied zum Alpenvorland aber deutlich ins Auge: Bis zu 70 Meter hohe Wachspalmen thronen majestätisch vor uns so weit das Auge reicht. Laut Recherche sind hier zwar schon ein großer Anteil dieser abgeholzt worden, dennoch ist der Anblick überwältigend und irgendwie surreal zugleich. Haben wir nicht gerade noch kurzzeitig Heimatgefühle entwickelt? Und jetzt verwirren uns meterhohe Riesen in unseren Gedankengängen? Wir sind geplättet vom Naturschauspiel und haben riesiges Glück mit dem Wetter. Während am Nachmittag oft Wolken und Neben aufziehen und die Sicht versperren, strahlt uns die Sonne ins Gesicht und kitsch blauer Himmel rundet das Gesamtpaket ab. Wir nehmen uns für den Tag eine Wanderung durch das Wachspalmen Tal vor und starten an den ersten touristischen Fotospots, die nach ein paar wenigen Minuten einfach zu erreichen sind. Doch das ist nicht das Ziel unserer Wanderung, sondern erst der spaßige Anfang, bevor wir die 14 Kilometer angehen und die herrliche Landschaft genießen. Pferdeweiden säumen unseren Weg, streunende Hunde begleiten uns auf verschiedenen Wegetappen und atemberaubende Ausblicke auf das Tal. Nachdem wir den höchsten Punkt der Wanderung erreichen, wandelt sich der Weg von überwiegend geschotterten Pfaden oder angenehmen Waldböden in kleine Trittchenpfade bergab über Stock und Stein.

Die Konzentration ist bei uns deutlich mehr gefordert, um nicht abzurutschen oder über Wurzelwerk zu stolpern. Wir sind froh, dass der Trampelpfad überwiegend trocken ist und nur selten Flussausläufe unseren Weg in kleine Planschbecken verwandeln, die wir zu überspringen versuchen oder vorsichtig durchwaten. Auch die Vegetation ändert sich. Begleiteten uns zu Beginn unseres Weges noch überwiegend Wachspalmen, sind wir jetzt gefühlt im Dschungel angekommen. Hängepflanzen, dicht bewachsene Wege sowie überwiegend schattige Passagen führen uns durch den zweiten Teil unserer Wanderung und halten immer wieder neue wackelige Hängebrücken bereit, um den Flusslauf zu überqueren. Die Natur ist herrlich und die Ruhe und Abgeschiedenheit von jeglicher Zivilisation lassen uns an den Regenwald in Ecuador zurückerinnern.

Weil wir an diesem Tag noch nicht genug von Auf- und Abstiegen bekommen können, treibt es uns bei unserer Rückkehr in Salento noch weitere 200 Stufen hinauf zum El Alto de la Cruz. Der Aufstieg wird belohnt durch einen Blick direkt auf die Stadt und das umliegende Tal.

Nicht nur Kaffeeliebhaber und Wanderbegeisterte kommen in Salento auf ihre Kosten, auch Pferdenarren haben hier optimale Ausrittmöglichkeiten durch traumhafte Naturlandstriche. Und so ist es nahegelegen, dass Julia sich diese Chance hat nicht entgehen lassen und Alex nach seinen ersten Reiterfahrungen den Mut gewagt hat, sich bei Flussdurchquerungen hoch zu Ross und Weitblicken in das Kaffeetal anzuschließen und bei einer ausgiebigen Pause frisch gepressten Kaffee auf einer Kaffeefarm zu genießen. Der Tag war einfach wirklich traumhaft, denn auf dem Rücken der Pferde ist das Gefühl nochmal ein ganz anderes und weckt alte Erinnerungen. Die Pferde sind gutmütig und trittsicher. Keine Flussdurchquerung bereitet Probleme und die Tiere scheinen die Wege ganz genau zu kennen, um auch unwegsame Abschnitte sicher zu meistern. Und auch Alex hält sich gut auf seinem Pferd, sieht alles auch schon sehr professionell aus und genießt das mittlerweile nicht mehr ganz ungewohnte Gefühl im Sattel.

Bevor wir Salento wieder verlassen, machen wir von unserer Unterkunft aus noch eine Wanderung zum Santa Rita de la Cascada. Der Wasserfall ist vor allem für seine Naturpools bekannt, die zum Schwimmen einladen. Von Salento aus geht es erstmal ein längeres Stück an der Straße hinab ins Tal zum Fluss des Quindio, nach dem die Region benannt ist. Die letzte Stunde wird der Weg idyllischer, am Fluss entlang und auf kleinen Trampelpfaden nähern wir uns unter drohend grauer Wolkendecke dem Wasserfall. Wir haben Glück, denn wir sind wahrscheinlich aufgrund der Wetterlage ganz alleine vor Ort und können das Naturschauspiel ein paar Minuten genießen, bevor die ersten Tropfen fallen und sich als ordentlicher Regenschauer entpuppen. Wie gut, dass auf dem Weg immer wieder natürliche Felstunnels Unterschlupf bieten und uns vor komplett durchweichten Klamotten bewahren. Gut eine halbe Stunde Fußmarsch entfernt wartet ein Restaurant auf uns, bei dem wir ausharren können und auf ein Taxi warten, das uns durch den Regen zurück zur Unterkunft fährt.

Salento hat uns mit seiner üppig grünen Naturvielfalt begeistert, eine Nacht spontan verlängern lassen und einen vielseitigen Mix aus Ruhe und Erholung und gleichzeitigen Erkundungstouren beschert. Salento bot uns letztlich mehr als wir anfangs erwartet hätten und sollte bei einer Kolumbien Reise nicht ausgelassen werden.

Medellin

Vom beschaulichen Salento geht es für uns mit einem Direktbus nach Medellin. Die zweitgrößte Stadt Kolumbiens empfängt uns mit mehr als 2,6 Millionen Einwohnern und einem gemäßigten Klima, weshalb die Stadt auch nicht zu Unrecht als die „Stadt des ewigen Frühlings“ genannt wird. So frühlingshaft die Temperaturen uns überzeugen, so vorsichtig sind wir bei der Hotelwahl und der Lage unserer Unterkunft im Voraus. Medellin selbst galt lange Zeit als die gefährlichste Stadt der Welt, das Zuhause des berüchtigten Drogenbosses Pablo Escobar und des Paramilitärs in verschiedenen Ecken der Stadt. Noch heute schwingen die ereignisreichen und gewaltvollen Zeiten in den Köpfen der Einwohner und haben die Stadt und das Land geprägt. Die Geschichte bereitet uns Gänsehaut und Respekt zugleich – den einst mit mächtigsten, reichsten und gewaltvollsten Mann des Landes zu fassen und die brutalen Auseinandersetzungen und Morde in ein meist friedvolles Klima zu transformieren sind unserer Meinung nach eine ziemliche Leistung seitens der Politik. So führen die Veränderungen zu mittlerweile starken Touristenströmen in die einstige Drogenhochburg und in das berühmt berüchtigte Viertel Communa 13, in dem sich die Kartelle lange Zeit vor der Polizei verschanzten und auch heute noch in geringerer Anzahl leben.

Vor unserer Tour durch die Communa 13 machen wir uns gedanklich auf Alles gefasst- von verranzten Straßenabschnitten, dunklen Hinterhöfen und verrucht gefährlichen Mafiabossen, die die Wege kreuzen könnten. Unsere große Kamera lassen wir vorsichtshalber im sicher gelegenen Hotel und jegliche Wertsachen haben wir eng an unserem Körper. Sicher ist sicher denken wir uns. So starten wir mit einem Lokal, der direkt in dem Viertel wohnt und es wie seine Westentasche kennt. Mit vielen Insidern, spannenden Hintergrundgeschichten und dem Auftritt einer Hip Hop Tanzgruppe lernen wir die Communa 13 kennen. Wir erklimmen die Hügelhochburg zu Fuß und schlängeln uns durch die engen Gässchen aus roten Backsteinhäusern, die meist unverputzt sind, zum Teil windig abgedeckte Dächer vorweisen und mit bunten Graffitiwänden dazwischen ihren ganz eigenen Flair versprühen.

Von wegen dunkle Gassen und gefährlicher Bezirk – wider unseres Erwartens gleicht die Communa 13 mehr einer Touristenpartymeile als dem einstigen Zuhause des größten Drogenbarons seiner Zeit und seiner Anhänger. Moderne Rolltreppen, auf die die Bürger hier besonders stolz sind, lassen uns einen Großteil der Höhenmeter kinderleicht überwinden und Partybeats beschallen den gesamten Hügel. Irgendwie extrem surreal und wir sind erstaunt und genervt zu gleich… bei der Lautstärke, unzähligen Verkaufsständen mit T-Shirt Aufdrucken von Pablo Escobar und einer riesigen Ansammlung von Menschenmassen machen wir uns recht schnell wieder aus dem Staub, als die Tour endet. Kein Wunder, dass hier die noch ansässigen Drogenbarone mehr „reiß aus“ nehmen als an ihren Geschäften weiter zu tüfteln. Eigentlich eine ziemlich clevere Idee der Regierung, das einstige Horrorviertel der Stadt mit Touristenschwämmen zu belagern und für Sicherheit dadurch zu sorgen. Überall hängen Kameras, an Sicherheitspersonal mangelt es nicht und unsere schlimmsten Befürchtungen vor Beginn der Tour wandeln sich komplett.

Den Rest des Tages erkunden wir weitere bebaute Hügel der Stadt auf eigene Faust und nutzen die als öffentliche Verkehrsmittel fungierenden Seilbahnen, die Hügel für Hügel modern miteinander verbinden. Die gut 20 minütige Fahrt lässt uns auf Wohngegenden und Viertel der Stadt blicken, die uns zum Teil doch sehr schockieren. Die Umstände wirken bereits aus der Luft sehr rudimentär, Fenster und Türen fehlen zum Teil komplett und die Müllberge häufen sich in jeglichen Ecken. So ist der Kontrast in dieser Stadt enorm – von luxuriösen Wolkenkratzern, aufstrebenden Unternehmen und betuchten Wohnvierteln mit internationalen Restaurants und jeglichen Shoppingmöglichkeiten bis hin zum Anblick des völligen Gegenteils treffen wir in Medellin auf unterschiedlichste Kontraste.

Mit der Ubahn gelangen wir in Medellin an unsere jeweiligen Destinationen. In kaum einem anderen Land abgesehen von Dubai haben wir ein so sauberes und von den Bewohnern gepflegtes und geschätztes Fortbewegungsmittel erfahren dürfen. Es wagt sich hier keiner, nur einen Krümel auf den Boden fallen zu lassen oder gar an Graffiti Künste auf der Bahn zu denken. Die Kolumbianer sind stolz auf ihre technische Errungenschaft, wie wir von vielen Einheimischen während unserem Aufenthalt erfahren und hegen es wie einen Schatz.

Weitere Schätze finden wir bei unserem Besuch im Museo d´Antioquia, welches zu einem Großteil aus Werken von Botero besteht. Der kolumbianische Maler und Bildhauer ist international bekannt und hat es sogar mit einer Skulptur nach Bamberg geschafft, weswegen uns die überproportionalen Körperformen und abstrakten Körperverhältnisse in seiner Ausgestaltung nicht ganz fremd sind. Seine voluminös überdimensionalen Skulpturen sind auch auf dem ihm gewidmeten Plaza Botero zu bestaunen, der sicher durch Polizeibewachung und Eisengestelle abgeriegelt wird. Die Innenstadt Medellins ist an manchen Orten doch ein wenig abstrus – wer genauer die Augen aufmacht, trifft auf verwinkelte Seitengassen, in denen sich Abhängige vor unseren Augen die nächste Dosis spritzen. Ein optisches Highlight ist der Kulturpalast Rafael Uribe Uribe, der durch sein Schachbrettmuster und den Mix aus verschiedenen Stilen besonders hervorsticht. Und sobald man den sicher abgeschotteten Bereich wieder verlässt, wandelt sich das Stadtbild recht schnell und das Papaya Level steigt von jetzt auf gleich. Papaya Level – was soll das denn? Unser Guide drückt es folgendermaßen aus: „Gibst du den Leuten Papayas, dann müssen sie sie auch annehmen“ – im Übertragenen Sinne für Medellins Sicherheitsfaktor: Trägst du deine Wertsachen öffentlich zur Schau, wunder dich nicht, wenn sie dir entnommen werden. Je höher das Papaya Level, umso achtsamer werden wir. Unsicher fühlen wir uns aber nie und lassen die Stadt mit ihrer Geschichte auf uns wirken.

Gutatapé

Guatapé – ein Ort, dessen Bilder uns bereits im Voraus mehr an Asien als an Südamerika erinnert haben. Warum? Betrachtet man das Städtchen mit seinen vielen künstlich ausgehobenen Seearmen und seinem hervorstechenden Guatapé Rock kommt man schon mal ins Zweifeln, auf welchem Kontinent man ist. So überlegen wir nicht lange und fahren in das gut eine Stunde von Medellin entfernte Guatapé, das übrigens auch von Pablo Escobar als Ferienörtchen genutzt wurde und zu heutiger Zeit ein Ferienort für reiche Städter und Touristen aller Nationen darstellt. Vor allem der riesige Guatapé Koloss, der 700 Stufen bereithält bis zu seinem Gipfel und mit einer Wahnsinnsaussicht belohnt, ist für den Ort bekannt und wirkt zugleich wie ein riesiger eingeschlagener Meteorit. Irgendwie surreal und wie aus dem Nichts erschaffen. Der beliebte Fels ist hart umkämpft, denn so erhebt Guatapé nicht alleine den Anspruch auf diesen Brocken, sondern auch der Nachbarort El Penol. Die Bewohner aus Guatapé versuchten sogar, mit der Beschriftung des Felsen ihr Revier zu markieren, wurden allerdings auf frischer Tat von den El Penolern erwischt und mussten bereits nach einem großen G und einem halb angefangenen U stoppen.

Bei einem auf den ersten Anschein nach bewölkten Tag machen wir uns recht früh morgens mit dem Tuk Tuk von unserer Unterkunft auf den Weg zum El Penol. Bei einer rasanten Fahrt durch die kleinen engen Gassen und bunt bemalten Häusern erleben wir ganz neue Perspektiven von Guatapé und sammeln unsere Kräfte für den Aufstieg. Und der ist kontinuierlich Trepp auf Trepp ab… Alex geht natürlich wieder in voller Leichtigkeit die Stufen voran, Julia gönnt sich doch ab und an mal eine Pause und erhält schon einen kleinen Vorgeschmack für das große Finale am Ende des Aufstiegs. Und das kann sich wahrlich sehen lassen, denn von oben wird uns das Ausmaß der Seenlandschaft und Verästelungen deutlich. Den Ausblick genießen nicht nur wir, sondern auch gierige Sandfliegen, die sich auf verschwitzte Touristen freuen und drangsalieren. So flüchten wir recht bald wieder und schießen ein paar Erinnerungsfotos.

Nicht nur von oben genießen wir die Gegend, auch das Stadtzentrum hat einen eigenen charmanten bunten Baustil. Vor allem typisch sind die handbemalten Keramiken an den Häusern, die individuelle Motive darstellen. In den Häusern selbst befinden sich schnuckelige Cafés, traditionelle Handwerke und allerlei Leckereien. Die kleinen Gässchen führen unter bunten aufgehängten Regenschirmen entlang und lassen das einfallende Licht besonders wirken. Nach dieser Ruheoase begeben wir uns wieder nach Medellin. Von dort aus überwinden wir einen großen Streckenabschnitt mit dem Flieger nach Cartagena, über das wir mit seinen angrenzenden Küstenorten und -abschnitten in einem separaten Artikel berichten.

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